Abriss der Geschichte des Ortes Theras
Die erste uns bekannte urkundliche Erwähnung der Ortschaft Theras stammt aus dem Jahr 1112. Mit dieser Urkunde übergab Bischof Ulrich von Passau dem im selben Jahr von ihm gegründeten Stift St. Georgen (=Herzogenburg) an der Traisen den Drittelzehent von Pernegg, Raabs, Grafenwörth und „Teraz“. Der Zehent war jener zehnte Teil des Ertrages, den Grundbesitzer bzw. deren Untertanen bis ins vergangene Jahrhundert zur Erhaltung der Geistlichen an die Kirche entrichten mußten.
Für die Herkunft des Ortsnamens gibt es verschiedene Deutungsversuche: Die Sage erzählt, daß sich im 10. Jahrhundert ein fränkischer Ritter namens Teras im Kampf gegen die Türken (?) auszeichnete und als Lohn dafür von König Heinrich diese unsere Gegend geschenkt bekam. Hier ließ er eine Burg und ein Dorf errichten, die beide seinen Namen erhielten.
Andere bringen Theras in Verbindung mit dem fränkischen Ort Theres bei Würzburg und der zweiten bayrischen Kolonisationswelle zur Zeit der Babenberger (976 – 1246). Dieser Zusammenhang ist sehr zweifelhaft. Nachforschungen in Würzburger Archiven und in Theres selbst ergaben keine derartigen Anhaltspunkte.
Eine historisch wahrscheinlichere Möglichkeit ist die Ableitung des Ortsnamens vom mittelhochdeutschen Wort „terraz“, das „Terassell oder „erhöhter Platz“ bedeutet.
Am naheliegendsten für mich ist die Erklärung des Namens aus der altslawischen Sprache. Das Gebiet des Waldviertels wurde nämlich ab dem 7. Jahrhundert verstärkt von Slawen besiedelt, und viele Ortsnamen der engeren und weiteren Umgebung gehen nachweislich auf diese slawische Siedlungstätigkeit zurück.
Sowohl das Alter des Ortes als auch die Gründungszeit der Pfarre können nicht genau bestimmt werden. Es ist sehr wahrscheinlich, daß es sich bei der oben erwähnten Urkunde des Fassauer Bischofs um die Pfarre und nicht nur um den Ort Theras handelte. Das hieße, daß die Gründung unserer Pfarre im Jahr 1112 oder früher erfolgte. Das Patrozinium der „Kreuzerhöhung“ rechtfertigt diese Annahme, da zur Zeit der Kreuzzüge (I. Kreuzzug 1096 – 1099) Kirchen nicht wie üblich der geistigen Schirmherrschaft von Heiligen unterstellt, sondern häufig dem „Heiligen Kreuz“ geweiht wurden.
Weltliches Herrschaftszentrum von Theras und seines näheren Umlandes war Therasburg, vermutlich eine Gründung der Grafen von Plaien-Hardegg, die uns auch als die ersten Patronatsherren der Pfarrkirche Theras bekannt sind.
Im Dorf bestanden seit dem Mittelalter zwei Freihöfe. Das sind Höfe von Freibauern, die in der Regel von Abgaben und Diensten an einen Grundherren befreit waren, aber keine Herrschaftsrechte wie z.B. die Gerichtsbarkeit ausübten.
Im Oberort, beim heutigen Haus Nr. 101 (Winkelbauer), befand sich der sogenannte Freyenturm oder Therashof, eine kleine Burg mit Wirtschaftsgebäuden in der Nachbarschaft. Die genaue Zeit seiner Gründung ist unbekannt, aber vielleicht sind die in einer Göttweiger Klosterschrift um 1160 genannten Zeugen „Dietmarus et Bertoldus“ frühe Besitzer dieses Hofes. Aus den folgenden Jahrhunderten kennen wir die Namen mehrerer Eigentümer, die dem Stand des niederen Landadels zugezählt werden können. 1715 wurde der Theraserhof von Graf Philipp Ignaz von Breuner gekauft, der unter anderem auch der Besitzer der Herrschaft Oberhöflein war. Damals bürgerte sich der Name Oberhöfleinerhof ein, das Schlößchen aber verfiel. Heute erinnert daran noch der Flurname „Höfleiner“ und der „Moarhofstodl“.
Von Breuner kam das Gut in den Besitz der Familie Suttner und wurde in den Fünfzigerjahren an hiesige Bauern verkauft.
Am östlichen Ende des Ortes lag der sogenannte „Untere Freihof“. Er entstand in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Graf Bernhard von Hardegg fügte zu einem bereits bestehenden Jägerhaus 20 Gwanten Felder hinzu und erklärte das Anwesen zu einem Freihof. 1685 gelangte dieser in den Besitz des Stiftes Geras und erhielt im Volksmund den Namen „Geraserhof“. Rund 100 Jahre später wurden aus ihm zwei Höfe gebildet (heute Haus Nr. 76 und Nr. 77). Durch Rustikalisierung (= Auflösung des Gutes in Bauernland) entstanden 2 Halblehner – und 11 Viertellehnerhäuser. Das war der Ursprung jenes Ortsteiles von Theras, der „die Häuseln“ genannt wird.
Bis in das vergangene Jahrhundert war die Pfarre meist von einem Pfarrer und einem Hilfspriester besetzt.
Im 13. und 14. Jahrhundert war Theras Wallfahrtsort, dessen Bedeutung aber mit der Zeit auf die Kirche von Maria im Gebirge bei Sallapulka überging.
Um 1380 umfaßte das Pfarrgebiet die Orte Theras mit Therasburg, Röhrawiesen, Heinrichsdorf, Mixnitz und Hermannsdorf. Bei Obermixnitz und Heinrichsdorf handelt es sich wahrscheinlich von alters her nur um Teile der Ortschaften. Aus späterer Zeit wissen wir nämlich, daß von Obermixnitz nur die 14 Häuser südlich der Ortsstraße bei Theras eingepfarrt waren, der Rest aber zu Weitersfeld gehörte. Geteilt war auch Heinrichsdorf: Der Oberort war nach Sallapulka bzw. Stift Herzogenburg zehentpflichtig, die neun Häuser des unteren Ortsteils nach Theras bzw. Stift Wilhering.
Hermannsdorf besteht längst nicht mehr. Die Ortschaft, die südöstlich von Obermixnitz lag und an die heute noch die Flur Hermannsfurt erinnert, ist um 1500 verödet. Wie von den meisten der rund 500 Waldviertler Orte, die vom 13. bis zum 17. Jahrhundert abkamen, kennen wir auch von Hermannsdorf den Grund der Verödung nicht. Häufige Wüstungsursachen waren weitläufige Zerstörungen durch Brände, Überschwemmungen oder Kriege, aber auch Seuchen, wenn ihnen ein Großteil der Bevölkerung zum Opfer fiel. Eine Mitursache, daß nach solchen Katastrophen ein Ort nicht wieder errichtet wurde, war die Landflucht, da Städte oft bessere Lebensbedingungen boten und von drückenden Abgaben und hohen Robotforderungen erlösten („Stadtluft macht frei“).
Oft hatten die Leute unserer Gegend im Mittelalter unter Kriegen zu leiden: Die Nähe zur böhmisch-mährischen Grenze brachte wiederholt Bedrohungen mit sich. Wir wissen, daß 1332 bei einem Böhmeneinfall bei Pulkau 400 Bauern getötet und viele verschleppt wurden.
In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts waren es Hussitenhorden, die immer wieder im Wald- und nahen Weinviertel einfielen und mordend, plündernd und brandschatzend das Land durchstreiften. 1430 berichtet der Festungskommandant von Znaim von einem Gefecht gegen die Hussiten bei Theras.
1486 fielen Retz und Eggenburg in die Hände von böhmischen Heerscharen. Sie kämpften im Namen des ungarisch-böhmischen Königs Matthias Corvinus, der bis zu seinem Tode 1490 ganz Niederösterreich besetzt hielt.
Solche kriegerischen Auseinandersetzungen brachten für die Landbevölkerung sowohl materielle Belastungen bis hin zum wirtschaftlichen Ruin als auch Lebensgefahr mit sich. Aus einem Bericht des Jahres 1556 erfahren wir, wo die Theraser, wenn sie nicht überrascht wurden, Schutz gegen herannahende Feinde finden konnten: „Therasburg. Ist für einen straif zu der wöhr taugenlich, hat wenig geschüz und pulfer. Theras der hof ist mit nichten bevestigt.“
Im 10. und 17. Jahrhundert wurde das Dorfleben geprägt von Glaubenskonflikten: 1517 veröffentlichte der deutsche Mönch Martin Luther Reformvorschläge für die damals in vieler Hinsicht im argen liegende christliche Kirche. Er fand nicht nur Anhänger aus religiösen Gründen: Adelige nahmen seine Lehre an aus politischer Gegnerschaft zum katholischen Kaiser, von dessen Bevormundung sie sich lösen wollten. Bauern hatten soziale Gründe, sich den Lutherischen anzuschließen; sie erhofften sich Unterstützung in ihrem Kampf gegen die drückenden Lasten der Grundherrschaft. Die Schwerpunkte dieser letztendlich erfolglosen Kriege, die Zehntausenden Bauern das Leben kosteten, lagen in Oberösterreich, Salzburg und der Steiermark. Unsere Gegend war davon nicht betroffen, auch nicht vom Waldviertler Bauernaufstand des Jahres 1596. In Theras dürfte die protestantische Lehre um 1530 eingeführt worden sein. In den darauffolgenden 100 Jahren ist die Dorfgeschichte gekennzeichnet von vielen Querelen – meist zwischen den Pfarrern einerseits und den Pfarrhofuntertanen, den Schulmeistern, den Herren von Therasburg oder deren Untertanen andererseits. Dabei mangelte es nicht an gegenseitigem Vorwürfen eines unchristlichen Lebenswandels und des falschen Glaubens. Mit solchen Auseinandersetzungen in Theras mußte sich nicht nur die niedere Gerichtsbarkeit befassen, sondern in zwei Fällen sogar der Erzherzog von Österreich als Landesherr. Anlaß zu Streit war zum Beispiel, wenn der Herr von Therasburg seine Schafe auf Pfarrgründen weiden ließ, oder wenn dieser sich über das „Leitgeben“, das heißt das Weinausschenken im Pfarrhof beklagte.
Theraser Bauern verweigerten wiederholt die ihrer Ansicht nach ungerechtfertigt hohen Robotforderungen der Pfarrherren. 1657 wurde die Robot vom Wilheringer Abt folgendermaßen urkundlich festgelegt: 3 Bauern: 18 Tage Zugrobot die anderen Bauern: 18 Tage (bald darauf 24) Handrobot Kleinhäusler: 6 Tage Handrobot.
Aus dieser Zeit kennen wir auch die Daten zur Größe der Pfarre: Theras: 52 Häuser, Therasburg mit den Mühlen: 6 Häuser; zusammen 245 Einwohner Röhrawiesen: 93 Einwohner in 24 Häusern Anteil Obermixnitz: 70 Einwohner in 14 Häusern Anteil Heinrichsdorf: 45 Einwohner in 9 Häusern.
Große Not über unser Land brachte der Dreißigjährige Krieg (1618 – 1648), in dem Länder und Fürsten des Deutschen Reiches unter dem Banner des rechten Glaubens Fesseln kaiserlicher Bevormundung abwerfen und Länder wie Schweden und Frankreich ihr Staatsgebiet auf Kosten des Reiches vergrößern wollten. Ein Bediensteter des Wilheringer Hofes in Krems berichtet aus dem Jahr 1620: „Herr Salomo, Pfarrer zu Theras, ist schon etliche Woche sammt seinen Untertanen und der ganzen Dorfmenge vertrieben.“ 1622 fand der neue Pfarrer sechs bestiftete (bewirtschaftete) Bauernstellen vor, drei untertänige Häuser lagen in der öde. Angst und Schrecken verbreiteten aber nicht nur die Feinde wie gegen Ende des Krieges die Schweden, sondern genauso die disziplinlosen, beutegierigen Söldner der kaiserlichen Heere.
1683 drangen die Osmanen bis Wien vor. Zur Finanzierung von Abwehr und Gegenangriff ließ der Kaiser, wie schon bei der ersten Türkenbelagerung Wiens 1529, zusätzliche Abgaben, die sogenannte Türkensteuer, einheben. 1703 wurde sie mit 10 Prozent vom Einkommen und 1 Prozent vom beweglichen Vermögen festgesetzt.
Einschneidende Veränderungen in der Pfarrgeschichte von Theras brachten die Reformen Kaiser Joseph II. mit sich: Seit 1784 beschränkte sich das Pfarrgebiet auf Theras mit Therasburg und Röhrawiesen. Obermixnitz wurde zum Mittelpunkt einer neuen Pfarre mit Untermixnitz (abgetrennt von Waizendorf) und Passendorf (getrennt von Pulkau).
Die größte Ausdehnung erreichte die Pfarre Theras 1803, als Obermixnitz wieder aufgelassen wurde und die drei Orte nach Theras eingepfarrt wurden. 1867 wurde Mixnitz als eigene Pfarre wieder eingerichtet, Passendorf aber blieb bis heute bei Theras.
1891 zählte die Pfarrgemeinde 670 Seelen. Theras mit Therasburg und Passendorf 544 Einwohner in 105 Häusern, Röhrawiesen 126 Einwohner in 26 Häusern. Das sind beinahe doppelt soviele Einwohner wie heute.
In den letzten 200 Jahren haben sich die sozialen Abhängigkeitsverhältnisse der bäuerlichen Landbevölkerung entscheidend gewandelt: Maria Theresia ließ um 1750 Kreisämter einrichten, die unter anderem die Untertanen vor übergriffen der Grundherren schützen sollten. Sie verordnete auch die Aufteilung des dörflichen Gemeinschaftsbesitzes, der sogenannten „gemainen Weide“. Die Zuteilung erfolgte nach Grundbesitzgröße der Bauernhöfe, die Herrschaften bekamen grundsätzlich die Hälfte der „Allmende“, Häusler und Inleute, das sind Leute ohne Haus, gingen leer aus. 1781 wurde durch Joseph II. die Leibeigenschaft beseitigt. Die Untertanen waren damit nicht mehr Besitz der weltlichen oder geistlichen Grundherren und konnten ab nun zum Beispiel ohne deren Zustimmung sich verehelichen oder einen Beruf ergreifen.
1848 erfolgte die endgültige „Bauernbefreiung“ mit der Beseitigung der grundherrlichen Rechte über die Bauern (Robot, Zehent …). Diese Entwicklung brachte auch Schwierigkeiten mit sich: Für die weniger begüterten Bauern war die Grundablöse eine schwere materielle Belastung, die ärmsten Leute des Dorfes, die Kleinhäusler und Inleute, verloren damals das Recht der kostenlosen „kleinen Forstnutzung“, das war die Erlaubnis des Holzklaubens, Laubrechens oder Steckrodens. Dies hatte in so manchen Fällen weitere Verarmung und Landflucht zur Folge. Viele verließen ihre Dörfer und suchten Arbeit in Städten und damals entstehenden Industriegebieten. Die Abwanderung vom Dorf in die Großstadt hat im allgemeinen bis heute kein Ende gefunden.
Eine andere Ursache für Bevölkerungsverluste im 20. Jahrhundert waren zwei verheerende Weltkriege. Allein Theras hatte durch den Ersten Weltkrieg den Verlust von 14, durch den Zweiten Weltkrieg von 22 in den besten Jahren ihres Lebens stehenden Männern zu beklagen. Diese beiden opferreichen Kriege sind leider die Höhepunkte des 20. Jahrhunderts sowohl in der gesamteuropäischen Geschichte als auch in der Geschichte unseres Dorfes.
Mag. Robert Mader
Auszug aus: „Theras, 700 Jahre Zugehörigkeit zum Stift Wilhering; 880 Jahre Ersturkundliche Erwähnung“ [Festbroschüre, 1991]